Hufrehe - Todesurteil oder Chance?

 

Ich möchte heute mal aus unserer Erfahrung mit Hufrehe-Patienten berichten. Grundsätzlich für alle, die sich mit dem Thema noch nicht so auseinandergesetzt haben, eine kurze medizinische Erklärung aus der Fachliteratur:
„Eine weit verbreitete Form der Hufrehe ist die durch eine falsche Fütterung verursachte Futterrehe. Hierbei kommt es zu Stoffwechselstörungen beim Pferd. Freigesetzte Gifte gelangen über den Blutkreislauf in die Huflederhaut. Die Leber als Entgiftungsorgan wird massiv überlastet. Im Huf lösen die Gifte schließlich komplizierte Enzymreaktionen aus, die zur Ablösung des Hufbeins von der Hornkapsel führen.
Auch durch eine zu reichliche Fütterung mit Gras kann es zu einer Futterrehe beim Pferd kommen. Hierbei scheint Fruktan ursächlich für die entstehende Hufrehe zu sein. Dürfen Pferde in Frühjahr und Frühsommer endlich wieder länger auf die Weide, steht Fruktan in frischem Gras im Übermaß zur Verfügung. Der über einen gewissen Zeitraum an Heu gewöhnte Verdauungsapparat kann nicht auf Anhieb mit dem plötzlichen Angebot an Gras umgehen.“
Ein aktueller Fall auf unserer Ranch verdient besondere Beachtung und ich möchte euch anhand der Geschichte von Wendy erzählen, was unwissende Menschen den Pferden antun und wie es doch auch ein Happy End geben kann!
Die Geschichte: Wendy, eine erst 6-jährige Haflingerstute, wurde von uns im gebisslosen Reiten ausgebildet. Vom Offenstall, in dem sie aufgewachsen ist, kam sie in einen Boxenstall, den ein ehemaliger Landwirt führt. Der selbst hat 6 Haflinger und weitere 4-6 Einstellerpferde in seinem Stall. Seine eigenen Haflinger sind alle extrem übergewichtig und allesamt krank. Eines wurde vor zwei Monaten zum Metzger gefahren – die Hufrehe war inzwischen zu schmerzhaft geworden. Ein anderes erstickte vor kurzem auf der Weide – es war seit langem an chronischem Husten erkrankt. Zwei weitere leiden an Hufrehe. Wohlgemerkt, die Pferde sind alle noch keine 10 Jahre alt!
In diesen Stall kam also Haflingerdame Wendy. Vom agilen Jungspund mutierte sie also bald zum übergewichtigen Boxenpferd mit gut 150 kg zuviel. Sie bekam täglich riesen Portionen Heu, frisches Gras, welches der Bauer am Morgen auf der Wiese mäht und später dann in die Boxen schmeisst, sowie Kraftfutter. Sie durfte natürlich auch auf die Koppel, allerdings nur bei schönem Wetter, d.h. die meiste Zeit des Jahres war eine 9 m² große Box ihr Schicksal. Der erste Reheschub lies also nicht lange auf sich warten. Das hieß Schmerzmittel, Verbände, Medikamente, Rehebeschlag. Monatelange Boxenruhe. Die Fütterung wurde nicht geändert. Ein Haflinger braucht halt mehr auf den Rippen….
Es kam wie es kommen musste – das Hufbein senkte sich um 5,5 Grad, die Reheschübe häuften sich. Ab ca. 5 Grad ist das Pferd nur noch bedingt bis gar nicht mehr reitbar. Die letzte Option für Wendy war – raus aus dem Stall, ab auf die Rehabilitationsstation der Lakota Creek Ranch nach Ungarn, oder Einschläfern lassen.
So kam Wendy Anfang April 2014 nach Ungarn auf unsere Ranch. Der Rehebeschlag wurde so schnell wie möglich entfernt – zum Ärgernis der vorher behandelnden Ärzte, die meinten, ich solle solche Sachen doch den Ärzten überlassen, da ich ja keine Ahnung hätte. Meine Erklärung, wie ich die Dinge in die richtige Richtung verändern könnte, also die Hufe entsprechen so zu schneiden, dass ein Beschlag nicht nötig wäre, wurde als Unfug abgetan. Das Pferd würde nach Aussage der Ärzte maximal bedingt reitbar bleiben und maximal im Schritt gehen können.
Man stelle sich mal vor, dein Huf schmerzt wie die Hölle und dann kommt jemand, der Dir ein Eisen draufnagelt….. das sind wirklich Höllenqualen! Also – Eisen runter und den Huf anständig geschnitten und gefeilt, die Zehe wurde soweit gekürzt, dass sie ganz leicht abrollen kann und kein Druck auf die Zehen entsteht. Wendy bekam ab dem ersten Tag nur noch energiearmes Heu zu fressen.
Die erste Woche litt sie sichtlich an „Zuckerentzugserscheinungen“ und war völlig durchgedreht. Es war wohl wie bei einem Junkie auf Entzug. Mitte Juni durfte sie mit den anderen Pferden auf die Koppel, zunächst noch mit Maulkorb, zwei Wochen später konnten wir auch diesen weglassen. Die Koppeln hier in Ungarn sind reich an Kräutern und fruktanarmen Gräsern, kein Vergleich zu den fetten und nicht Pferdegerechten Wiesen in Deutschland.
Die Hufe werden in regelmäßigen Abständen bearbeitet. Der kaputte Huf wächst gleichmäßig nach unten raus und es kommt gesunder Huf nach. Wendy ging seit sie hier ist kein einziges Mal lahm und hatte keinen weiteren Reheschub mehr. Man kann mit ihr wieder Roundpen-Arbeit machen in allen Gangarten. Sie erfreut sich bester Gesundheit und rennt wie eine Verrückte die Koppeln rauf und runter! Auch wenn alle sagen, dass sie das nicht glauben, denn schließlich stand sie kurz vor der Tötung – es ist wie es ist!
Dieses Beispiel zeigt deutlich – tut etwas, bevor es zu spät ist! Raus aus den Boxenställen, weg vom Mastfutter, das für Kühe bestimmt ist. Wenn eure Koppeln zu üppig sind, dann lasst die Pferde erst drauf, wenn das Gras so gut wie vertrocknet ist! Ansonsten – mageres Heu Heu Heu! Kein Kraftfutter! Etwas Weizenkleie für den Darm und wenn nötig etwas Hafer. Mehr nicht! Täglicher Auslauf (also Offenstall) mit ausreichender Weide, sandiger fester aber nicht harter Boden ohne Steine - vor allem während der einjährigen Genesungszeit dürfen nicht die geringsten Steine auf dem Paddock sein.
Desweiteren sollte man auf natürliche Art und Weise die Leber entgiften, der Dreck muss aus dem Körper raus, aber nicht mit chemischen Medikamenten. Kopfarbeit fürs Pferd, denn nur wem es psychisch gut geht, der kann auch eine Krankheit überwinden. Und natürlich einen Barhufspezialisten, der sich auch an Rehepferde traut. Das ist eigentlich nicht so schwierig, wie es klingt.
Wendy wird sicherlich wieder ohne Probleme geritten werden können, der Huf muss sich vollständig regenerieren und das kann schon mal zwei Jahre dauern. Bei einem 6 Jahre alten Pferd sollte dieser Zeitraum aber wohl kein Problem sein.

Update Januar 2016:

Wendy's Hufrehe ist vollständig ausgeheilt, sie ist seit einem halben Jahr bei einem neuen Besitzer hier in Ungarn. Es geht ihr großartig, sie wird fast täglich geritten und bewegt. Auf jeden Fall ein Happy End!

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Kommentare: 1
  • #1

    Mipam (Montag, 01 Mai 2023 11:54)

    So ein Unsinn, ich bezweifel, das sie wirklich eine Ahnung von Hufrehe haben�